Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

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Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist ein Modell zur Nutzung von Solarstrom in Mehrparteiengebäude,

  • der vor Ort mit einer Solaranlage auf dem Gebäudedach oder auf dem Dach einer Nebenanlage erzeugt,
  • von den Bewohner:innen vor Ort auf Grundlage eines Gebäudestromliefervertrages genutzt und
  • ohne Nutzung des öffentlichen Netzes transportiert wird.

Wenn Du eine Solar-Anlage auf dem Dach eines Mehrparteienhauses betreibst, kannst Du den Strom an die Nutzer:innen des Gebäudes weitergeben, ohne dass Du zum Energieversorgungsunternehmen wirst und ohne dass die Nutzer:innen ihre bestehenden Stromlieferverträge kündigen müssen. Förderung wie beim Mieterstrom gibt es dann allerdings keine. Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung hat folgende weitere Voraussetzungen:

  • Die Messung der Strommengen muss viertelstündlich und mit Hilfe eines intelligenten Messsystems erfolgen.
  • Der Betreiber der Solarstromanlage muss mit allen Bewohner:innen, die Solarstrom beziehen wollen, einen Gebäudestromliefervertrag abschließen. Die Teilnahme ist nicht verpflichtend. Eine Kopplung mit einem Mietvertrag ist nicht zulässig. Der Reststrom wird wie gewohnt von frei wählbaren Energieversorgern geliefert. Einzelne Wohnungen können, wenn gewünscht, weiterhin vollständig aus dem öffentlichen Netz versorgt werden. Im Vertrag muss folgendes geregelt werden:
    • Ab wann startet die Belieferung?
    • Wie hoch ist der Preis pro gelieferte Kilowattstunde (Ct/kWh)?Wie sind die Regeln zum Betrieb, zur Wartung und zum Erhalt der Solaranlage und wie werden die Zusatzkosten aufgeteilt?
    • Wie wird der erzeugte Solarstrom auf die verschiedenen Nutzer im Gebäude aufgeteilt (Aufteilungsschlüssel)?
    • Es wird klargestellt, dass die Solaranlage keine Vollversorgung ermöglicht.
    • Es wird klargestellt, dass ein ergänzender Stromvertrag mit einem Lieferanten notwendig ist, den jeder Strombezugskunde weiterhin selbst wählen kann.
    • Die Lieferzeit soll mindestens 2 Jahre betragen.
    • Es muss festgelegt werden, wie und in welchen Fristen der Vertrag gekündigt werden kann.
    • Nach §42b Abs.6 EnWG kann der Gebäudestromnutzungsvertrag auch durch einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ersetzt werden, wenn die WEG die Gebäudestromanlage betreibt.
  • Die Abrechnung der Vor-Ort-Belieferung erfolgt durch den örtlichen Netzbetreiber. Dabei wird der viertelstündlich gelieferte Solarstrom vom Strombezug der Wohnung oder Gewerbeeinheit abgezogen.
  • Die Zuteilung des PV-Stroms erfolgt durch einen Aufteilungsschlüssel, der im Gebäudestromliefervertrag festgelegt und dem Netzbetreiber mitgeteilt wurde. Es gibt zwei Varianten:
    • Statische Aufteilung: Es wird als fester Anteil der je Viertelstunde gemessenen Strombezug pro Wohneinheit zugeteilt. Das kann anhand der Haushaltsgröße, der Wohnfläche oder der Zahl der Wohneinheiten erfolgen (zum Beispiel je 20 % bei 5 Wohneinheiten (WE)). Der vom Messtellenbetreiber erfasste prozentualen Anteil am Strombezug wird vom Netzbetreiber (der häufig auch Messstellenbetreiber ist) von der Stromrechnung abgezogen.
    • Dynamische Aufteilung: Der Solarstrom, der innerhalb jedes 15-Minuten-Intervalls zeitgleich verbraucht wird, muss dem Gesamtverbrauch anteilig zugeordnet werden. Dadurch wird das individuelle Stromverbrauchsverhalten genauer widergespiegelt und der Solarstrom gerechter verteilt.

Für den Solarstrom, der nicht zeitgleich vor Ort genutzt, sondern in das öffentliche Netz eingespeist wird, kannst Du weiterhin Förderung bekommen.

Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist eine echte Innovation im Energierecht und wird dazu beitragen, die Nutzung von Solarstrom in Mehrparteiengebäuden weiter zu vereinfachen. Allerdings gilt es in der Praxis noch gute Mess- und Abrechnungskonzepte in Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern zu etablieren.

Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist nicht mit dem Mieterstrom zu verwechseln. Hier findest Du alle Infos zur Abgrenzung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung vom Mieterstrom auf einen Blick:

Mieterstromregelung nach §42 a EnWG (Neufassung) Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung nach §42 b EnWG
Voraussetzungen
  • Strom von Gebäuden und Nebenanlagen
  • Hinter dem Netzverknüpfungspunkt
Messtechnik
  • Virtueller oder physischer Summenzähler
  • 1/4h Messung
Vertragliche

Grundlagen

  • Mieterstromvertrag (max. 2 Jahre)
  • Vollversorgung: Anlagenbetreiber ist EVU
Gebäudestromnutzungsvertrag legt fest:
  • Aufteilungsschlüssel (statisch oder dynamisch)
  • Preis

GGV ist PV-Teilbelieferung, d.h.:

  • Kein Anspruch auf umfassende Versorgung
  • Freie Lieferantenwahl beim Reststrombezug (vgl. zu PV-Eigenverbrauch)
Preisgestaltung

und Förderung

  • Strompreis max. 90% Grundversorgungstarif
  • Strom, der im Gebäude verbraucht wird, hat Anspruch auf Mieterstromzuschlag
  • Überschussstrom hat Anspruch auf EEG-Vergütung
  • Freie Preisgestaltung
  • Kein Mieterstromzuschlag
  • Überschussstrom hat Anspruch auf EEG-Vergütung
Pflichten
  • Vorgaben nach §40 ff. EnWG hinsichtlich Rechnungen, Stromkennzeichnungspflicht, Reststromlieferung, Transparenzpflichten, Verbraucherschutzvorschriften
Eingeschränkte Lieferantenpflichten nach §40 ff. EnWG für PV-Lieferung:
  • keine Pflicht zur Reststromlieferung, jedoch Informationspflicht über notwendigen Reststrombezug
  • keine Transparenzpflichten in Rechnungen und Energieliefervertrag
  • keine Stromkennzeichnungspflicht
  • Mittteilung des Aufteilungsschlüssels an die im Rahmen der elektronischen Marktkommunikation zuständigen Stelle
Vorteile und

Nachteile

Vorteile:
  • Kunden müssen sich nur für ein Produkt entscheiden – PV-Lieferung und Reststromlieferung sind beide im Rahmen der Vollversorgung enthalten
  • Viele Netzbetreiber kennen Prozesse und Messkonzept zum Mieterstrom inzwischen
  • Etablierte Auswahl von Dienstleistern

Nachteile:

  • Freie Preisgestaltung nur unterhalb der 90%-Grenze möglich
  • Steuerrechtlich komplizierter
Vorteile:
  • Teillieferung des PV Stromes, ohne zum Energieversorger zu werden
  • Freie Preisgestaltung
  • Bilanzieller Eigenverbrauch der Endkund:innen wird einfach von Netzbezugsmenge abgezogen
  • Steuerrechtlich einfacher: weniger auf GewStG und KStG anzurechnen als bei Mieterstrom                    

Nachteile:

  • Erzeugung und Verbrauch müssen in derselben Viertelstunde stattfinden: Angewiesen auf Smart Meter Rollout
  • Netzbetreibern fehlen Prozesse für die Bilanzierung
  • Einbindung von Dienstleistern noch unklar

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